Poetisch-philosophisches Rendezvous
Ostertor. Eine Hongkongerin ist eine der bedeutendsten modernen Fotografinnen: Amy Lai-man Pang ist 2008 und 2009 von der Photographic Society of America (PSA) zu einer der Top-10-Foto-Künstlern weltweit gekürt worden. Von Künstler-Allüren keine Spur: Im persönlichen Gespräch begegnet einem die Star-Fotografin zugewandt und natürlich.
Denn Amy Lai-man Pang ist noch viel mehr, sie ist eine Philosophin und Poetin unter den Fotografinnen.
Die Medizinerin hat ihre Passion zur Kunst und Fotografie zu ihrem Beruf gemacht. Bis zum 19. November zeigt sie in der Galerie Ausmeyer & Gerling, Fedelhören 89, unter dem Titel „Lotus Rendezvous“ ihre erste Ausstellung in Deutschland. „Ich schätze mich glücklich“, sagt Galerist Frank Buß aus Bassum. Vermittelt hat auch diesmal Wolfgang Münkel aus dem Rembertiviertel, der 2015 die fabelhaften Werke des chinesischen Künstlers Lam Tian Xing nach Bremen holte. Er hat die Künstlerin 2015 in Hongkong kennengelernt. Den Maler und die Fotografin verbindet ihre Liebe zum Lotus, der Seerose. „Mit dieser Ausstellung möchte ich die einzigartige Schönheit von Lotus-Teichen darstellen. Wie der Lotus überhaupt ein bevorzugtes und sehr bewundertes Objekt in der chinesischen Kultur ist. Er wird als Symbol eines noblen Charakters, aber auch von Reinheit und Schönheit gesehen. Jeder Chinese hat das verinnerlicht“, sagt Amy Lai-man Pang, die mit mehr als 100 renommierten internationalen Preisen ausgezeichnet worden ist. Doch „Lotus Rendezvous“ ist noch viel mehr als eine Hommage an eine schöne Pflanze. „Mein Ziel ist es, die Ideale des Taoismus in das westliche Medium der Fotografie zu integrieren. Die Essenz der Fotografie, den entscheidenden, emotionalen Moment und die Perspektive, mit dem Denken und der Philosophie der chinesischen Kunst der Malerei und Kalligrafie zu verbinden“, erläutert Amy Lai-man Pang. „Ich habe ja ursprünglich die Fotografie als westliches Medium studiert, mich aber dann auf meine asiatischen Wurzeln, auf die jahrtausende alte chinesische Malerei besonnen.“ In der Kunst der Malerei und Kalligrafie hat sie sich bei Meister Lam Tian Xing aus Hongkong vervollkommnet. Durch mehrere Belichtungen und den Einsatz verschiedener Linsen entsteht in ihren Werken quasi eine einzigartige fotografische Malerei. „Während ein Foto aus ganz vielen kleinen Ausschnitten, Pixeln, besteht und letztlich von der Kunst der Weglassung lebt, fügt die Malerei immer noch etwas hinzu“, sagt Amy Lai-man Pang, die ihre Ausstellung in drei Bereiche unterteilt hat: Farbe, Licht und Schatten.
Ihre Werke wirken mal wie impressionistisch hingetupft (Dots on a Green Velvet) wie die in hellen und dunklen Grüntönen irisierenden „Floaters“. Die „Punkte auf grünem Samt“ wirken wie Monets Seerosenteich in verwunschen-verschwommener Millefleurs-Manier, die auch in der „Dreamy“-Serie aufscheint. „In „Bathing Beauty“ (badende Schöne) scheinen zwei purpurfarbene Lotusblüten, die aus dem satten Hellgrün eines Seerosenteiches auftauchen, wie zwei hübsche Frauen, einen Dialog miteinander zu führen. Einem schüchternen Mädchen gleicht in „Shy“ eine Lotusblume mit gesenktem Köpfchen, die aus einem grün-türkis wogenden Meer hervorlugt. Geheimnisvoll ist dagegen „Lamplight“, in dem aus den wie hingetuscht wirkenden, verschiedensten Blau-, Azur- und Grün-Tönen die Reflektion eines Lampion-Lichtes in Rosé- und Orange-Tönen leuchtet. Das sanfte, goldene Abendlicht, das die Künstlerin in Werken wie „Silk Bath“ (Seidenbad), „Whispering“ (Geflüster) und „Falling of he Sun“ (Sonnenuntergang) eingefangen hat, erinnern dagegen an die Gemälde William Turners, des großen Malers der britischen Romantik. Im sanften Licht der untergehenden Sonne entfaltet sich eine Szenerie der Vergänglichkeit des Lebenszyklus, des Goetheschen „Stirb und werde“: So steht ein welkendes Blatt einem frischen gegenüber.
In anderen Werken scheint dagegen der Kubismus auf. Als wär’s ein Stück von Paul Klee, wirken die schattenhaft ineinander verschränkten und überlagerten Aufnahmen von Lotusstängeln in schwarz-weiß. Die mannigfachen Muster, die jedem einzelnen Werk eingeschrieben sind, hat Amy Lai-man Pang erzielt, indem sie jede einzelne Aufnahme neun Mal hintereinander belichtet hat. Wie ein abstraktes Aquarell, das auf weißem Grund in azurblauen Wellen leuchtet, die die Farbe des Himmels reflektieren, kommt das Bild „Faces“ daher, geformt aus sich überlagernden Lotus-Stängeln, aus dem ein wahrhaftiges Gesicht hervorzuschauen scheint.
Amy Lai-man Pang möchte in ihren Fotografien „nicht eins zu eins die Natur abbilden, sondern die Emotion beziehungsweise die Atmosphäre und damit Rhythmus und Harmonie der Natur einfangen, die dem göttlichen Plan folgt“. Die aus dem Moment heraus entstehende, harmonische Farbkomposition sei eine Form expressionistischer Kunst, die das Unsichtbare sichtbar mache.
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